Der Emissionshandel wird für Immobilien wichtig
Der Emissionshandel wird für Immobilien wichtig
Der Europäische Emissionshandel ist seit 2005 das zentrale Instrument zur Reduktion von CO2-Emissionen in der EU. Ab 2027 wird das Handelssystem auf Gebäude ausgeweitet. Das hat weitreichende Folgen für die Immobilienwirtschaft und ihre Brennstoffverbräuche in der Nutzung. Hintergrund sind die Vorgaben des Europäischen Green Deal (Fit-for-55). Demnach müssen die Netto-Treibhausgasemissionen in der EU bis 2030 um mindestens 55 Prozent gegenüber 1990 gesenkt und bis 2050 Klimaneutralität erreicht werden. Hierfür wurde EU-Richtlinie zum Emissionshandel reformiert. Sie trat Mitte 2023 in Kraft und muss 2025 auch in deutsches Recht umgesetzt sein.
Das neue Handelssystem für CO2-Emissionen
Die entscheidende Neuerung ist die Einrichtung eines zweiten Emissionshandelssystems (EU-ETS 2). Hersteller, Großhändler und Importeure von Brennstoffen gelten als Inverkehrbringer. Sie müssen ab 2027 für die Verbräuche bei Gebäuden, im Straßenverkehr sowie im Baugewerbe und verarbeitenden Gewerbe Emissionsberechtigungen zum Ausstoß einer Tonne Kohlendioxid-Äquivalent (CO2-Äq) erwerben. Es ist damit absehbar, dass die Preise für diese Zertifikate bis Ende 2026 um über 40 Prozent und bis 2030 sogar um ein Vielfaches steigen könnten. Kosten, die weitgehend an die Nutzer weitergeben werden dürften.
Knappere Emissionsrechte auch für Brennstoffe
Gestartet ist der Emissionshandel 2005 mit der Energiewirtschaft und energieintensiven Industrie. Mittlerweile erstreckt sich das Handelssystem auf weitere Unternehmenskreise. Seit 2012 nimmt der innereuropäische Luftverkehr teil, seit 2024 der Seeverkehr und ab 2027 unter anderem der Gebäude- und Verkehrssektor. Zudem steigen die Klimaschutz-Ambitionen: Für die vierte Periode des Europäischen Emissionshandels (2021 bis 2030) wurde das CO2-Minderungsziel von 43 auf 62 Prozent gegenüber 2005 nochmals restriktiver ausgelegt. Weil die jährlichen Emissionsobergrenzen (Caps) kontinuierlich sinken und Zertifikate vom Markt genommen, dürften sich die verfügbaren Berechtigungen weiter verteuern. Denn künftig sollen die Zertifikate rund 85 Prozent der CO2-Emissionen in der EU abdecken.
Auf alle Assetklassen der Immobilienwirtschaft werden mit steigender Nachfrage nach den Emissionszertifikaten deutliche Preiserhöhungen bei den Brennstoffverbräuchen zukommen. Hersteller und Händler von Brennstoffen werden die Kosten für den Erwerb der Zertifikate an die Kunden der Sektoren weiterreichen. Hinzu kommen steigende Importkosten von CO2-intensivem Eisen, Stahl, Zement, Aluminium oder Strom aus den Nicht-EU-Ländern. So müssen die Importeure ab 2026 im Rahmen des Carbon Border Adjustment Mechanism (CBAM) des Emissionshandels ebenso Zertifikate erwerben. Preisunterschiede in Ländern mit weniger strengen Klimaauflagen sollen so ausgeglichen werden.
Sprunghafte CO2-Preise eine neue Normalität?
Wie entwickeln sich die Preise der Emissionsberechtigungen? Das derzeit noch gültige deutsche Brennstoffemissionshandelsgesetz (BEHG) setzt für eine Tonne CO2 45 Euro fest. Ab Januar 2025 steigt der Preis auf 55 Euro/t. Für das Handelsjahr 2026 soll die Preisfindung in dem Zielkorridor von 55 bis 65 Euro je Tonne flexibilisiert und versteigert werden. Schließlich wird das BEHG ab 2027 durch das Handelssystem EU-ETS 2 abgelöst und in eine freie Preisbildung überführt. Das lässt je nach Konjunktur, geopolitscher Situation und Klimaregulierung steigende Schwankungen erwarten.
Bereits im ETS-1 kam es zu kräftigen Sprüngen: Zwischen Mitte 2017 und Februar 2023 hatte sich der Preis für eine Emissionsberechtigung von rund fünf Euro auf knapp über 100 Euro verzwanzigfacht. Das Rekordhoch im Jahr 2023 führen Händler in erster Linie auf die Pandemie und die Energiekrise nach dem russischen Angriff auf die Ukraine zurück. Momentan rangiert der Preis auf einem Niveau von rund 65 bis 70 Euro.
Preisprognosen: Bereits das ambitionierte mittelfristige Klimaziel der EU (55-prozentige CO2-Reduktion bis 2030) veranlasst das Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (Pik-Potsdam) zu alarmierenden Preisprognosen: von 210 bis 405 Euro je Tonne bis 2030. Das wäre das Drei- bis Sechsfache gegenüber 2024. Angesichts des noch anspruchsvolleren langfristigen Klimaziels (CO2-Neutralität bis 2050) dürften die Preise weiter steigen. Voraussetzung ist, dass die Reduktionsmaßnahmen in den Sektoren nicht ausreichen, der Nachfragedruck nach Emissionsberechtigungen weiter zunimmt und die EU-Kommission nicht marktstabilisierend eingreift.
Bild: Preisentwicklung der CO2-Zertifikate 2008-2024, Umweltbundesamt
Mit CO2-Maßnahmen gegen Kostenrisiken
Die Preisprognosen für die Emissionsberechtigungen machen deutlich: Bauherren, Investoren und Nutzer sind gut beraten, die CO2-Profile ihrer Objekte intensiv zu überprüfen und die Emissionsniveaus zu senken. Dies wird nur durch regenerative Energiequellen, energieeffiziente Systeme und energetische Sanierungen gelingen. Außerdem rücken neue Technologien und Werkstoffe zur Luftfilterung und Entnahme von CO2 in den Fokus.
Die Förderbank KfW und Wissenschaftler vom Pik-Potsdam diskutierten auf der Weltklimakonferenz 2024 in Baku außerdem eine Erweiterung des Emissionshandels. Die Idee: neben dem CO2-Ausstoß auch CO2-Entnahmen in den Handel zu integrieren. Statt ein herkömmliches Ausstoß-Recht unmittelbar zu bezahlen, könnten sich Unternehmen mit sogenannten Clean-up-Zertifikaten verpflichten, das CO2 zu einem späteren Zeitpunkt (z.B. in 10 oder 20 Jahren) aus der Atmosphäre entnehmen zu lassen. Dies würde den Preisdruck im System zwar mildern. Doch wären die Kosten für die entsprechende Emissionsreduktion unkalkulierbar in die Zukunft verschoben. Folglich tragen Investitionen in emissionsarme Gebäude maßgeblich dazu bei, auch die regulatorischen Kosten- und Übergangsrisiken der klimaneutralen Transformation für die Immobilienwirtschaft beherrschbar zu halten.